Athe-aktuell: Bewegender Vortrag des Holocaustüberlebenden Ivar Buterfas

1159 Schüler:innen sind es, welche am 31.Mai 2022 Ivar Buterfas zuhören. Wenn man ihm in die Augen sieht, erkennt man, dass die Ereignisse, welche er erlebt hat, Spuren hinterlassen haben. Er erzählt von den erschreckenden Bilder und Erlebnissen, welche sich in den Köpfen des alten Ehepaares Buterfas-Frankenthal festgebrannt haben. Diese kann Ivar Buterfas mit seiner beruhigenden und einzigartigen Stimme aufmerksamen Zuhörern bestens rüberbringen – so wie uns an jenem Tag im Stadeum.

1933 als Halbjude (väterlicherseits) in Hamburg geboren, lebte er schon von Beginn an im nationalsozialistischen Deutschland. 1934 zwangen die Nazis seinen Vater, mit weiteren Minderheiten im Großlager Bergamoor als Moorsoldat zu arbeiten. Die Mutter flüchtete mit ihren acht Kindern, darunter Ivar, in den Osten. Dies taten sie aufgrund eines Hinweises einer befreundeten Quelle aus dem Rathaus, da der Name Buterfas auf einer Verlegungsliste in ein KZ-Lager stand.

Buterfas erzählt uns erschreckende Geschichten, zum Beispiel dass seine jüdischen wohlhabenden Großeltern von der SS als Verbrecher erklärt und ihnen deren Besitz aberkannt wurde. Oder die bewegende Geschichte, welche ihm auf der Hamburger Volksschule mit gerade einmal sechs Jahren widerfahren ist. So versammelten sich an jenem Tag alle Schüler:innen seiner ehemaligen Grundschule auf dem Pausenhof, um gemeinsam nationalsozialistische Lieder und Parolen zu singen. Anschließend passierte Folgendes: „Hör mal zu du Judenbalk, du schnappst dir deine Sachen und lässt dich hier nie wieder sehen.“ Dies sagte der Schulleiter, nachdem er vor allen anwesenden Schüler:innen den Namen Ivar Buterfas aufrief. Als er mit Tränen im Gesicht und völlig sprachlos davonlief, jagte ihn eine Gruppe der Hitlerjugend, um Ivar auf schlimmster Weise zu quälen – wie durch ein Wunder wurde er jedoch von Passanten gerettet.

Ohne Ausweise und Papiere konnte Buterfas in der Nachkriegszeit keine Ausbildung finden, weswegen er mal im Hafen Wassertanks schrubbte, oder, wie er mit einem Lächeln erzählt, auf dem Markt erfolgreich Güter verkaufte. Anschließend arbeitete Ivar ehrenamtlich für die Stadt, welche ihn einst deportieren wollte, Hamburg. Dabei war ihm das Mahnmal St. Nikolai besonders wichtig, weswegen er der Kirche 20 Jahre seines Lebens erfolgreich widmete. Und dennoch machte er sich durch seine Aufklärungsarbeit an den Schulen in der Zeit im Norden Deutschlands viele Feinde und erfuhr weiterhin Antisemitismus am eigenen Leibe.

Nun appelliert der 89-Jährige, geschmückt mit 37 Orden und Auszeichnungen, darunter zwei Bundesverdienstkreuze, an die Jugendlichen, sich über die nationalsozialistische Ideologie zu informieren und auf ewig zu verhindern, dass es je wieder passiert. Es sind die grauenvollen Geschichten, welche uns Schüler aus Stade beim Zuhören erstarren lassen. Dennoch ist es wichtig, über die schrecklichen Erlebnisse zu berichten. Leider gibt es immer weniger Zeitzeugen, weswegen wir uns geehrt fühlen, Zuhörer eines Zeitzeugen gewesen sein zu dürfen. Wir möchten uns bei Ivar und seiner Frau Dagmar, welche seit über 60 Jahren zusammenleben, für die intensiven Eindrücke bedanken. Der Antisemitismus ist leider noch immer ein aktuelles Thema und es ist die Aufgabe der zukünftigen Generationen, diesen zu bekämpfen, indem wir informieren, aufklären und aktiv Opfer schützen.