Athe-International: Tagebuch eines Auslandjahres – Teil II: Die Anreise und Ankunft

Nun ist es doch schon fast drei Monate seit meiner Ankunft her und doch ist erst ein einziger Beitrag von mir gekommen, der sich nicht einmal mit meinem Aufenthalt in Norwegen befasst. Auch jetzt werde ich euch noch nicht einen derart tiefen Einblick in diesen geben, sondern vorerst von meiner Anreise sprechen.

Von Anfang an stand für mich fest, dass ich nicht fliegen würde. Dafür hatte ich verschiedenste Gründe. Auf Platz eins kommt wohl meine aus umwelttechnischen Gründen ableitende Abneigung gegen das Fliegen, wenn es nicht einen anderen Weg gibt. Zudem kommt aber noch dazu, dass ich so auch keine Gewichtsbegrenzung in meinem Gepäck berücksichtigen musste, und mir Fährfahrten sowieso sehr gefallen.

Ich stand am 11.August 2023 also recht früh auf, um von meinem Bruder zum Bahnhof gefahren zu werden. Von da aus begann meine Reise auf eigene Faust. Ich nahm die Bahn über Hamburg bis nach Hirtshals – einer Stadt im Norden Dänemarks. Dort standen mir einige Stunden an Wartezeit bevor (man kann nie wissen, ob der Bahn wirklich zu trauen ist und so ist es immer ratsam, einen kleinen Puffer einzubauen) und ich nahm die Colour-Line-Fähre, um in drei Stunden die Überquerung des Skagerrak anzutreten.

Um Mitternacht kam ich also in der norwegischen Küstenstadt Christiansand an, wo mich meine Gasteltern schon mit ihren zwei Hunden erwarteten. An sich würde die Fahrt von besagter Stadt bis hin nach Stavanger, wo ich dieses Jahr leben würde, mehrere Stunden in Anspruch nehmen, aber da meine Gasteltern – wie fast alle Norweger – ein Ferienhaus besitzen (eigentlich sogar zwei, aber dazu später mehr) fuhren wir stattdessen nach Arendal, wo die beiden die Sommerferien verbracht hatten. Dort kamen wir also gegen halb eins an und ich bekam noch eine kleine Haus-Tour. Gemütlich eingerichtet und mit riesiger Lichterketten behangener Veranda gefiel es mir sofort.

Falls nun jemand diesen Beitrag liest, der oder die auch gerne eine Auslandserfahrung sammeln möchte, kommt bestimmt die Frage auf, wie diese Anfahrt und Ankunft für mich war. War ich aufgeregt? Oder war ich vielleicht traurig mein gewohntes Umfeld zurückzulassen? Ich würde lügen, wenn ich sage, dass ich gegen Ende hin nicht auch so meine Zweifel mit gewissen Punkten hatte. Was wenn meine Gasteltern und ich gar nicht zueinander passen? Wie soll ich eine mir so fremde Sprache lernen? Und dann natürlich noch: Vielleicht kommt ja doch noch etwas dazwischen. Wer meinen ersten Beitrag gelesen hat, weiß, dass die Planung für mein Auslandsjahr ziemlich chaotisch verlief und so hatte ich nie wirklich den einen Punkt, wo ich mir sagte: „Okay, jetzt gehe ich wirklich nach Norwegen.“ Stattdessen hatte ich zwei dieser Punkte, nur, dass ich beim ersten derart enttäuscht wurde, dass meine Aufregung beim zweiten Mal wohl ziemlich abgenommen hatte. Die gesamte Hinfahrt fühlte sich für mich wie eine ganz normale Bahnfahrt an und erst als ich diesen langen Gang von der Fähre zum Ankunftsbereich herunterlief, begriff ich wirklich, was das für mich bedeutete. Und doch kam ich nie zu dem Punkt, an dem mein Herz vor Aufregung so schnell schlug, dass es kaum noch erträglich war. Ich nahm alles neutral auf und schlief in meiner ersten Nacht in Norwegen auch recht schnell ein, ohne lange an die Decke zu starren. Meine Gasteltern gaben mir vom ersten Moment an ein gutes Gefühl und so wurden all meine Sorgen mehr oder weniger im Keim erstickt.

Diese Erfahrung unterscheidet sich dann aber doch bei jedem und so will ich nicht sagen, dass bei jedem zwangsläufig alles gut geht. Und wenn man wirklich ein schlechtes Gefühl mit seiner Gastfamilie hat, sollte man nicht zögern, das anzusprechen. Immerhin ist ein Auslandsjahr zur eigenen Bereicherung da und nicht dafür, es allen immer recht machen zu wollen. Die Erinnerung daran sollte etwas werden, an das man sich gerne erinnert.

Ich schlief also besagte Nacht gut durch und wachte am nächsten Morgen unbesorgt auf. Nach dem Frühstück mit meinen Gasteltern gingen wir hinunter zu einem kleinen Fjord, den man von der Veranda des Ferienhauses gut überblicken kann, wo sie ein kleines Motorboot haben. Als Hund und Mensch mit Schwimmwesten ausgestattet waren (tatsächlich ist dies in Norwegen Pflicht) machten wir uns auf eine kleine Rundfahrt, in der ich also zum ersten Mal Norwegen im Sommer und bei Licht bewundern konnte. Ich nutze hier mit Absicht das Wort bewundern und nicht ansehen, denn Norwegen hat wahrlich eine bewundernswerte Natur, die wir so in Deutschland nicht haben. Es sah wirklich aus wie dieses Klischee, das man sich von der norwegischen Küste ausmalt, mit all den kleinen bunten Holzhäusern und Inselchen. Ich war hellauf begeistert und dann wiederum fast schon ein wenig enttäuscht darüber, dass wir am Folgetag weiter nach Stavanger fahren würden. Ich verbrachte also noch eine Weile lesend auf der Veranda und genoss die Aussicht, die sich mir so erst in ein paar Wochen wieder bieten sollte.

Aber wenn man schon von Aussicht redet, möchte ich auch ganz kurz noch die Autofahrt nach Stavanger beschreiben, die an der Südküste Norwegens entlanglief. An keinem Punkt dieser Fahrt begegnete ich flacher Landschaft. Berge, Fjorde und Seen ergänzten sich hier zu zauberhafter Natur. Nur, wenn wir gerade durch einen Tunnel fuhren, verbarg sich mir dieser Anblick.

Fünf Stunden später betrat ich zum ersten Mal mein Zuhause für das nächste Jahr, doch wie es da weitergeht und was mich in der Schule erwartete, erfahrt ihr erst in meinem nächsten Beitrag.

von Julie Poulain

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