„Ein Titel, aber vielmehr eine Verpflichtung“: Der verbesserungswürdige Umgang mit „Schule ohne Rassismus“

„Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“: Ein bundesweites Schulnetzwerk, dem sich bereits über 3500 Schulen angeschlossen haben. Teilnehmende Bildungsstätten verpflichten sich der aktiven Bekämpfung von Diskriminierung jeglicher Ausprägung im alltäglichen Schulleben. Und nach über zwei Jahren seit der Titelverleihung wird es auch langsam am Athenaeum Zeit, den miteinhergehenden Obliegenheiten gerecht zu werden.

Teile der Schülerschaft können sich möglicherweise an den 7. Februar 2020 erinnern: Jenen Tag, an welchem u.a. die Schulleitung und die SV in der Aula feierlich die berüchtigte schwarz-weiße Plakette entgegennahmen. Patin wurde Iyamide Mahdi, welche sich auch im Verein „ZinKKo e.V.“ für das harmonische Miteinander verschiedener Kulturen in Deutschland einsetzt. „Keine Würdigung für Geschehenes, sondern eine Verpflichtung für die Zukunft“, so wurde die Übergabe sinngemäß oft kommentiert. Die Aufgaben, die dieser Titel mit sich bringt, sind klar formuliert: Die Bekämpfung und aktive Prävention von Diskriminierung aufgrund der Ethnie, Religion oder Lebensweise, was durch mindestens einen Projekttag pro Jahr unterstützt werden soll.

Bisher Errungenes

Seit jenem Tag prangt nun also die metallene Platte am Haupteingang des Athenaeums. Die bisherige Bilanz: Im Juni 2020 haben Schüler:innen des Athenaeums die Verlegung eines Stolpersteins für Kazimierz Bachleda-Zarski, ein Opfer des NS-Regimes, erwirkt und die Patenschaft übernommen. Des Weiteren fand auch eine Lesung des ehemaligen SPIEGEL-Journalisten Hasnain Kazim im gleichen Jahr statt, auf welcher der gebürtige Hollern-Twielenflether von seinen Erfahrungen mit rassistischen Anfeindungen berichtete. Wenngleich diese beiden Projekte großartige Errungenschaften sind und in ihrer Bedeutung nicht negiert werden können: Die Anzahl bleibt überschaubar; das Athenaeum konnte den eigenen Anspruch bisher nicht vollumfänglich erfüllen. Woran liegt das?

Einen maßgeblichen Anteil dazu dürfte die Corona-Pandemie beigetragen haben. Nur wenige Wochen nach der Übergabe mussten Schulen schließen und auch bei der Wiedereinführung des Präsenzunterrichts überschatteten die Pandemieeinschränkungen den schulischen Alltag. Corona kann hierbei allerdings nicht als alleiniger Sündenbock betrachtet werden. Was fehlt, ist das regelmäßige Befassen der Schülerschaft an die Existenz solcher gesellschaftlicher Probleme, die Schaffung eines Bewusstseins für alltägliche Diskriminierung. Die Möglichkeit, sich im Unterricht eventuell auch mit dem eigenen Verhalten kritisch auseinanderzusetzen, um so das gesamte schulische Umfeld zu verbessern.

Wie also vorgehen?

Die Themen Alltagsrassismus und Diskriminierung müssen in jeglichen Bereichen des Schullebens stärker in den Fokus rücken, wenn man den Anforderungen von „Schule ohne Rassismus“ gerecht werden will. Eine Welt ohne gesellschaftliche Diffamierung ist aktuell natürlich (leider) noch eine utopische Vorstellung, doch ein erster Schritt muss getan werden. Verschiedene Experten sehen die Sensibilisierung von Schülerinnen und Schülern schon von klein auf an als wichtigsten Schritt zur Bekämpfung von Alltagsdiskriminierung, denn Rassismus, Sexismus und andere Formen der Diskriminierung sind schließlich keine genetische Gegebenheit, sondern ein erlerntes Verhaltensmuster. Eine wichtige Rolle hierbei spielen die Lehrkräfte. Es muss hinterfragt werden, ob nicht vielleicht das eigene Unterrichtsmaterial oder das verwendete Schulbuch unbeabsichtigt diskriminierendes Gedankengut vermitteln. Gleichzeitig sollten solch sensible Themen deutlich stärker in den Fokus des Unterrichts rücken, sich dabei aber auch in der Materie diversifizieren. Anders formuliert heißt das, sich nicht nur auf geschichtliche Ereignisse wie die Verbrechen des Nazi-Regimes zu beschränken, sondern auch aktiv auf die jetzige Situation sowie aktuellen Entwicklungen in Deutschland und der ganzen Welt einzugehen, um so Realitätsnähe für Schülerinnen und Schüler herzustellen.

Was kann die Schülerschaft tun?

Nichtsdestotrotz gibt es auch Dinge, die ihr Schülerinnen und Schüler tun können. Konkret formuliert: Seid laut! Bewegt etwas! Beschäftigt euch mit wichtigen politischen Ereignissen und präsentiert eure Meinung dazu! Geht auf eure Lehrkräfte zu und fragt, ob ihr Themen wie die „Gender-Pay-Gap“ oder modernen Antisemitismus im Unterricht besprechen könnt, bastelt Infoplakate oder organisiert Mottotage. Hinterfragt euer eigenes Verhalten: Könnten Dinge, die ich sage oder tue, andere Menschen verletzen oder diffamieren? Jeder Schritt zählt! All dies wird zu einem gerechterem Umfeld für alle beitragen, denn von Rassismus profitiert schlussendlich niemand. Es ist gut, dass sich diese Schule dem Kampf gegen Rassismus verschrieben hat, doch das bisher Erreichte kann den Ansprüchen des Athenaeums schlichtweg nicht genügen. Ich werde nach den Sommerferien mit dem Abitur von der Schule abgehen, auch die Führungsetage der SV steht vor einem großen Umbruch. Der Zeitpunkt ist also ideal, um endlich einen fundamentalen Wechsel in der bisherigen Umgangsweise mit „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ einzuläuten. Es liegt also an euch, diesen Wechsel mitzutragen.

von Marius Dinglinger

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