Nachgedacht über…: Tierische Helden im Krieg
Das Thema Krieg zieht sich schon seit Anbeginn der Zeit durch die Menschheitsgeschichte und ist auch gerade leider wieder brandaktuell. Der Ukraine-Konflikt nimmt Einfluss auf große Teile Europas, auch auf jene, die eigentlich gar nicht direkt betroffen sind. Damit laufen auch die aktuellen Neuigkeiten in den Medien rauf und runter und sorgen immer wieder für neuen Gesprächsstoff. Vor einigen Wochen habe ich über Tiere als Kriegsopfer berichtet. Im zweiten Teil stelle ich dar, inwiefern Tiere im Krieg aktiv involviert werden.
Was mich persönlich fasziniert, aber auch sehr schockiert hat, war, inwiefern Tiere sogar aktiv in das Kriegsgeschehen eingebunden und für militärische Zwecke ausgenutzt werden. Das im Krieg auch Tiere vertreten sind, ist eigentlich nichts Neues, aber das Ausmaß des Ganzen hat mich dann doch überrascht. Deswegen wollte ich einmal auf diesen unheimlichen, aber trotzdem interessanten Aspekt des Krieges aufmerksam machen, über der leider viel zu wenigen bewusst ist und auch ein paar Beispiele aus der Geschichte und der heutigen Zeit vorstellen. Wenn man an Tiere im Militär denkt, kommen den meisten wahrscheinlich zunächst Bilder von Pferden in den Sinn, die Soldaten oder Ritter herrschaftlich in die Schlacht tragen.
Pferde sind tatsächlich mit eines der ältesten und bekanntesten Beispiele, da sie fast schon immer genutzt wurden, um Menschen oder auch Waren und anderes ins Feld zu tragen. Sie sind wahrscheinlich auch die, die im allgemeinen Bewusstsein am präsentesten sind, da sie in etlichen Kunstwerken, Filmen und Büchern aus allen Epochen fester Bestandteil unterschiedlichster Schlachten sind. Als Reit- und Lasttiere dienten daneben aber auch noch zum Beispiel Maultiere, die vor allem in Bergregionen eingesetzt wurden, oder Elefanten. Diese waren nicht nur zum Reiten und Transportieren schwerer Lasten besonders geeignet, sondern halfen auch, die Gegner einzuschüchtern und das eigene Heer noch imposanter und gefährlicher wirken zu lassen. Es gibt aber noch viele andere Dinge, mit denen Tiere Soldat:innen überall auf der Welt schon eine große Hilfe waren oder immer noch sind. Zum Beispiel beim Suchen und Aufspüren von Menschen oder bestimmten Dingen, wie Minen oder Sprengstoff. Dafür werden spezielle „Minenhunde“ ausgebildet, aber auch kleinere Arten wie Ratten oder Bienen können dazu abgerichtet werden. Sehr wichtig sind auch Botendienste, die ebenfalls häufig von Hunden ausgeführt werden, am häufigsten aber von den Pionieren in diesem Bereich, die ironischerweise vor allem als Friedenssymbol bekannt sind: den Tauben. Diese können ziemlich schnell fliegen und haben sehr gute Seh- und Orientierungsfähigkeiten, was besonders hilfreich ist, wenn wichtige Nachrichten oder Informationen überbracht werden müssen. Insbesondere, wenn es keine andere Möglichkeit gibt, über eine gewisse Entfernung zu kommunizieren. Die Vögel wurden häufig in einem mobilen Schlag gehalten und dann in kleinen Körben mit ins Feld genommen, von wo sie später gegebenenfalls mit Nachrichten zurück zum Lager fliegen konnten. Solche vermeintlich kleinen Einsätze haben schon häufig große Wirkung gehabt; die Brieftaube „Cher Ami“ zum Beispiel rettete 1918 in den USA durch das Überbringen einer wichtigen Nachricht etwa 194 Soldaten das Leben. Heute ist sie ein Nationalheld mit mehreren Auszeichnungen und steht ausgestopft im National Museum of American History.
Nicht nur an Land und in der Luft kommen nicht-menschliche Soldaten zum Einsatz: noch heute helfen speziell trainierte Delfine oder Seehunde dabei, Hafenbecken zu bewachen und gegebenenfalls feindliche Taucher abzuwehren. Auch das Aufspüren und Entschärfen von Wasserminen kann zu ihren Aufgaben gehören. Einige sind aber auch mittendrin im Kampfgeschehen: Egal ob zu Land oder zu Wasser werden verschiedenste Arten speziell für den Kampf trainiert und können so andere Tiere sowie auch Menschen angreifen und abwehren, wobei sie häufig noch durch an ihrem Körper befestigte Waffen oder Rüstungen unterstützt werden. Diese Tier-Soldaten sind meistens nicht direkt an der Front dabei, helfen aber oft als Wachposten oder bei anderen Einsätzen. Gerade kleinere Arten wurden damals häufig Opfer einer besonders schrecklichen Praxis; so einige Hunde gingen im zweiten Weltkrieg auf brutale Selbstmordkommandos, indem sie, mit Sprengstoff versehen, als „lebende Bomben“ ins Feld geschickt wurden. Diese Methode hatte sich jedoch nicht wirklich bewährt, da die verängstigten Tiere sehr schwer zu kontrollieren waren und nicht selten auch zurückliefen und die eigenen Truppen in Gefahr brachten. Eher abseits davon, in Lagern oder Gräben, gab es nicht weniger tierische Unterstützung: da waren die bereits erwähnten Brieftauben, die natürlich auch für private Post zuständig waren, aber auch sehr kleine Vertreter, Schnecken zum Beispiel, die halfen, die Gefahr durch bestimmte Gase zu erkennen, oder Glühwürmchen, die Soldaten fingen und in Gläser sperrten, um eine unauffällige Lichtquelle zu haben. Es ist faszinierend zu sehen, wie viele Aufgaben im Krieg von Tieren erledigt werden und wie oft ihre Hilfe auch entscheidend und scheinbar unerlässlich ist. Doch gleichzeitig ist es auch schockierend, wenn man betrachtet, unter welchen Bedingungen und welchen Gefahren sie dort gehalten werden und ihre „Pflicht“ erfüllen müssen. Es mag häufig so aussehen, als wären es fleißige Helfer, die den Menschen treu und pflichtbewusst zur Seite stehen, doch man muss sich auch vor Augen führen, dass die allerwenigsten Tiere so etwas freiwillig tun würden, schon gar keine Aufgaben dieser Art. Dazu kommt, dass sie erstmal auf die speziellen Verhalten oder unnatürlichen Umstände gedrillt werden müssen und auch wenn sie gerade keinen Einsatz haben, wahrscheinlich nicht die Chance haben, unter ruhigen und natürlichen Umständen ihr Dasein zu genießen. Natürlich muss man dort anmerken, dass auch die meisten Soldat:innen keinen Spaß daran haben, unter diesen extremen Bedingungen zu arbeiten und viele Dinge, die sie im Krieg tun müssen, nicht tun wollen, aber das heißt nicht, dass es für ihre tierischen Mitkämpfer in irgendeiner Weise leichter oder erträglicher ist, nur weil sie ihre Meinung nicht so gut verständlich machen können.
Viele der geschilderten Methoden sind jetzt zum Glück überholt und gehören der Vergangenheit an, unter anderem da es mittlerweile bessere technische Möglichkeiten gibt, um viele Aufgaben zu lösen. Doch nach wie vor findet das Konzept hier und da Anwendung und soll wohl auch noch weiter verfeinert werden. Im Auftrag des amerikanischen Verteidigungsministeriums arbeiten in den USA Forscher an Projekten, bei denen mithilfe von Gentechnik und speziellen Implantaten verschiedene Tiere so modifiziert werden, dass sie sich wie Roboter steuern lassen sollen.
Wenn man sich anschaut, wie häufig und selbstverständlich Tiere überall auf der Welt ausgenutzt werden und für die persönlichen Zwecke der Menschen arbeiten und leiden müssen, ist es leider keine allzu große Überraschung, dass dies auch im militärischen Kontext passiert. Das Prinzip des Krieges ist sowieso schon ein grauenvolles, gnadenloses und ausbeutendes, das zahllose Opfer fordert, und zwar häufig ohne wirklichen erkennbaren Sinn oder Konzept. Die Tiere werden hierbei in der Regel instrumentalisiert und eher wie Waffen behandelt. Niemand (oder zumindest nicht die, die wirkliche Entscheidungsmacht haben) kümmert sich darum, wie sie sich fühlen oder ob das, was sie tun müssen, ethisch vertretbar ist. Auch wenn es meistens der eh schon verzweifelten Lage des Krieges geschuldet ist, ist es trotzdem schockierend, wie individuelle, fühlende Lebewesen ausgenutzt und ihnen jegliche Rechte, Werte oder Gefühle abgesprochen werden. Doch es gibt auch Fälle, die gegenteiliges beweisen. Vielleicht liegt es an der Art der Aufgabe, die sie erfüllen, doch wie oben schon kurz erwähnt, gibt es auch Tiere, die durchaus mit den Soldat:innen gleichgesetzt und als Helden gefeiert werden. Einige bekommen wie „Cher Ami“ oder der amerikanische Soldatenhund „Sergeant Stubby“ Ehrenplätze in einem Museum, andere die ihre Zeit beim Militär überleben, dürfen, häufig mit zahlreichen Auszeichnungen, sogar als Nationalhelden in den Ruhestand gehen.
Im Hyde Park in London gibt es sogar ein 2004 eingeweihtes Denkmal, das aus den Abbildern verschiedenster Tiere besteht. Es trägt zwei Inschriften; eine widmet das Denkmal den tapferen Tier-Held:innen aller Zeiten, die im Dienst der britischen und alliierten Streitkräfte fielen, die andere lautet: „Sie hatten keine Wahl.“
Quellen:
https://www.br.de/nachrichten/wissen/tiere-im-krieg,ReW4rAx
von Kari Wenk