Nachgedacht über…: Hibakujumoku – die Überlebenden Hiroshimas

Es ist 80 Jahre her, dass der Zweite Weltkrieg beendet wurde. Und das lag zum einen an der Kapitulation Deutschlands, zum anderen an der Kapitulation Japans. Denn ein Weltkrieg kann nur als solcher bezeichnet werden, wenn die Konflikte tatsächlich die Grenzen eines Kontinents überschreiten. Diese letzte Etappe des Krieges fand auch zwischen Japan und den USA statt oder ist zumindest für zwei tragische Ereignisse bekannt, mit der diese beiden Länder maßgeblich zu tun hatten und die letztendlich auch zur Beendung des Krieges führten. Aber zu welchem Preis?

Am 6. August 1945 warfen die USA eine Atombombe mit dem Namen „Little Boy“ über der japanischen Stadt Hiroshima ab. Die Explosion 600m über dem Boden tötete viele tausende Menschen noch an Ort und Stelle und viele, viele weitere sollten später an den Folgen der Verletzungen und der radioaktiven Strahlung sterben. Als die japanische Regierung nicht, wie von den USA erhofft, innerhalb kürzester Zeit kapitulierte, kam es nur drei Tage später zu einem weiteren Angriff. Dieses Mal war das Ziel die Stadt Nagasaki, in der weitere unzählige Menschen ihr Leben lassen mussten. Insgesamt starben über 100.000 Menschen unmittelbar und weitere hunderttausende an den Folgen, wobei die genauen Zahlen umstritten sind. Was Zahlen aber kaum auszudrücken vermögen, ist das unbeschreibliche Leid, welches die Opfer dieser Angriffe erfahren mussten. Inzwischen haben viele Überlebende ihre Erfahrungen von damals aufarbeiten können und der Öffentlichkeit berichtet, doch gibt es neben den überlebenden Menschen auch die schweigenden Zeugen der Natur, die uns Aufschluss über die damaligen Ereignisse geben können und die gerne übersehen werden.

79 Jahre später, im Jahr 2024, wurde eine Ausstellung im botanischen Garten der norwegischen Stadt Stavanger eröffnet, die sich mit den Bäumen beschäftigt, die die Katastrophe Hiroshimas überlebten. „Töchter-Bäume“ dieser Bäume wurden in die norwegische Hauptstadt Oslo geliefert und großgezogen und deren Töchter-Bäume wiederum fanden in Stavanger ihr neues Zuhause. In diesem Zusammenhang wurde eine Fotoausstellung im botanischen Garten errichtet, welche die pflanzlichen Überlebenden Hiroshimas ausstellte, fotografiert Jahre später, als es nicht mehr gefährlich war, die Stadt wegen ihrer Strahlung zu betreten.

Im Laufe meines Auslandjahres in Stavanger habe ich dieser Ausstellung beiwohnen dürfen. Während der Führung, die uns gegeben wurde, hat man uns erklärt, inwiefern die Atombomben einen Einfluss auf die dort stehenden Bäume hatten: Rund 200 Bäume überlebten in Hiroshima und Nagasaki, was ihnen den Namen „Hibakujumoku“ gab, was aus dem Japanischen kommt und „bombardiertwordene Bäume“ bedeutet.

Professor Emeritus Masakazi Suzuki von der Universität in Tsukuba beschäftigt sich mit den sogenannten „Hibakujumoku Typ A“. Bei diesen handelt es sich um diejenigen Bäume mit nur einem Stamm und sichtlichen Bombenschäden, die im Radius von 2km um das Hypozentrum der Explosion standen und von dort nicht mehr umgepflanzt wurden. Dieser letzte Punkt ist darum wichtig, da die Untersuchungen von Professor Suzuki auch das Fortwachstum der Bäume mitbetrachten und ergaben, dass beinahe alle dieser Bäume eine bestimmte Eigenart aufweisen. So sind sie, mit wenigen Ausnahmen, alle in die Richtung des Hypozentrums geneigt und weisen an der diesem zugewandten Seite verminderten Wachstum von Ästen sowie Bombenschäden, in Form von totem Gewebe, auf. Sie haben trotz schwerer Schäden und der Gewissheit von Spezialisten, die es für unmöglich hielten, dass irgendwelches Leben die Explosion überstehen würde, genau das getan. Genau ist nicht bekannt, warum die Bäume besagte Neigung aufweisen und Aufzeichnungen haben auch gezeigt, dass die Neigung immer ungenauer wird, je weiter sich die Bäume vom Hypozentrum entfernen, doch es scheint, dass die Explosion, mit dem verbundenen Feuersturm Schäden im Baumgewebe hinterließen, die auch die Zeit nicht zu heilen vermag. Neue Äste und gerade die dem Hypozentrum abgewandten Bereiche zeigen keinerlei solche Schäden auf, genauso wenig wie die Nachkommen der Bäume in Stavanger, Oslo oder anderen Städten dieser Welt. Doch darum sind sie nicht weniger bedeutend.

Diese Bäume, so banal sie als Symbol auch wirken mögen, dienen nicht der Veranschaulichung der ihren Vorfahren widerfahrenen Schäden, sondern als Erinnerung an den Schrecken, der damals der Bevölkerung eines Landes widerfahren ist. So lautet der Name der Ausstellung in Stavanger „The silent witnesses“, was darauf zurückzuführen ist, dass die letzten Menschen, die die Atomangriffe überlebt haben und von diesen berichten können, heute ein hohes Alter erreicht haben und bald nicht mehr hier sein werden, um uns ihre Geschichte zu erzählen. Zwar haben Bäume nicht die Fähigkeit, uns durch Worte zu berichten, was in der Vergangenheit geschehen ist, doch wir als Menschen, die von ihrer Geschichte wissen, können sie weiterverbreiten und der Menschheit in Erinnerung rufen, dass ein solcher Angriff auf die Zivilbevölkerung nie wieder geschehen darf. Gerade zu Zeiten gesellschaftlicher sowie politischer Unruhen sollten wir uns daran erinnern, dass die Vergangenheit Schrecken hervorgerufen hat, deren Wiederholung zu verhindern unsere Aufgabe ist.

von Julie Poulain

Mehr Informationen zur Ausstellung auf:

https://hibakujumoku.no/

Kontakte Ausstellung:

post@hibakujumoku.no

ekuko.naka@gmail.com

https://www.instagram.com/ekukonaka/

Kontakt Fotoausstellung:

https://www.instagram.com/yumiko_ashley

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